Rechtshilfe zur COP21 und kontakt des legal Teams

Dieses Dokument beinhaltet als Orientierung die maximal anwendbaren Strafmaße, welche quasi nie auf Personen ohne Vorstrafen angewandt werden. Die Strafen richten sich grundsätzlich nach dem Einkommen. Deutsche Übersetzung, Stand 25/11/15.

CONTACT LEGAL TEAM
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cosomi [at] riseup.net

BEI DEMOS UND GEMEINSAMEN AKITONEN

Denkt an Kontaktdaten eines Anwalts oder einer Anwältin. Das Legal Team (Ermittlungsauschuss) kann dir diese Kontakte geben, welche du auf der Polizeiwache im Gewahrsam nennen kannst. Wenn du Medikamente nimmst, denk dran diese mitzunehmen, oder das entsprechende Rezept (Wichtig : Name ersichtlich).

Denkt an die Konsequenzen der mitgeführten Gegenstände : Illegale Drogen, Gegenstände die als Waffen eingestuft werden können (z.B. Messer), situative Waffe (Glasflaschen, Steine,...), Adressbuch oder Telefon mit Kontaktdaten (die dazu genutzt werden können, die Arbeit der Polizei zu erleichtern).

Bei Übergriffen : Lasst niemanden alleine. Versucht in eurer Bezugsgruppe zu bleiben, damit mensch den Namen der festgenommenen Person kennt und Unterstützung organisieren kann. Anschließend kann mensch vorsorglich die anderen Demonstrant*innen auf die Zivilbullen hinweisen. Vorsicht : In Frankreich ist der großzügige Einsatz von Tränengas üblich.

Fotos und Videos
 : Die Polizei filmt und fotografiert quasi ständig während Demos, um "Beweise" gegen die Menschen zu sammeln, die bei der Aktion teilnehmen. Immer mehr neigen auch Demonstrant*innen und Journalist*innen dazu, und unterstützen so, bewusst oder nicht, die Arbeit der Überwachung und Datenerfassung durch die Polizei, (insbesondere wenn sie Fotos und Videos ins Internet zu stellen). Mensch kann versuchen dem zu entkommen, indem mensch das Filmen zu verhindern versucht oder sein Gesicht vermummt.

Vermummung des Gesichts : Im Prinzip ist es verboten sein Gesicht bei einer Demo vorsätzlich zu vermummen, in einer Art die "dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören" und wird mit 1500 € bestraft. In der Praxis kommt es jedoch selten bis nie vor, dass jemand nur aus diesem Grund festgenommen wird. Jedoch kann die Vermummung des Gesichts als erschwerender Umstand zusammen mit anderen Taten gewertet werden (siehe nächster Punkt).

Nicht angemeldete Versammlungen : Die Polizei kann nicht angemeldete Demonstrationen oder Versammlungen auf öffentlichem Grund auflösen. Dies geschieht entweder nach zwei Aufforderungen (die "Mahnungen"/"sommations") per Lautsprecher, oder, wenn "Gewalt" vorausgegangen ist, kann auch ohne Ankündigung geräumt werden.
Nachdem die "Mahnungen" ausgesprochen wurden (oder wenn die Polizei behauptet, dass dies der Fall ist), ist es verboten sich nicht von der Versammlung zu entfernen und dies wird bis mit zu einem Jahr Gefängnis und 15000 € bestraft.
Wenn die Person eine Waffe bei sich trägt bzw. einen Gegenstand, der als situative Waffe verwendet werden kann (der dazu geeignet ist, auf die Polizei geworfen zu werden), oder wenn sie vermummt ist und die Versammlung nach den Mahnungen der Polizei nicht verlassen hat, erhöhen sich die Strafen zu 3 Jahren Gefängnis und 45000 Euro. Ist die Person bewaffnet und vermummt, kann die Strafe bis zu 5 Jahre Gefängnis und 75000 Euro betragen.

IM FALLE EINER KONTROLLE ODER VORÜBERGEHENDEN FESTNAHME

Im Falle einer Identitätskontrolle : Die Polizei kann alle Menschen kontrollieren, die verdächtigt werden bei einem Straftat dabei zu sein, sich auf eins vorzubereiten, oder die Information über ein Straftat liefern können. Die Polizei führt auch Kontrollen in bestimmten Bereichen (Häfen, Bahnhöfe, Flughäfen) durch. Die Staatsanwaltschaft kann der Polizei auch die schriftliche Anweisung geben, verstärkte Personenkontrollen in einem bestimmten Bereich für eine bestimmte Zeit durchzuführen "Razzien". Außerdem darf die Polizei Menschen kontrollieren, um einer "Gefahr der Öffentlichen Ordnung vorzubeugen, insbesondere um die Sicherheit von Personen und Gütern" zu gewährleisten. Im Gegensatz zu Inländer besteht für Ausländer Ausweispflicht. Ohne Ausweis kann deine Herkunft nicht festgestellt werden. In jedem Fall musst du deine Identität angeben (Vorname, Name). Einige verweigern es, ihre Identität anzugeben. Die Polizei kann dich mit aufs Revier nehmen um deine Identität zu überprüfen.

Taschenkontrolle : Das Durchsuchen deiner persönlichen Gegenstände (Rucksack, Geldbeutel, Taschen,...) ähnelt einer Hausdurchsuchung. Ein*e Polizist*in oder Gendarme kann dich durchsuchen, wenn der Verdacht besteht, dass du eine Straftat begangen hast. Ein*e Zollbeamte*e kann die Durchsuchung anordnen, um einem Delikt nachzugehen. Ein*e Wachmann*frau darf jedoch nur eine Sichtprüfung deiner Taschen durchführen und das auch nur mit deiner Zustimmung. Bei einer einfachen Personenkontrolle ist nur das Abtasten gestattet. Dieses besteht aus dem Abtasten der Person um festzustellen, ob sie gefährliche Gegenstände bei sich trägt, aber grundsätzlich muss man dabei weder seine Taschen leeren noch seinen Rucksack öffnen. Jede Durchsuchung muss protokolliert werden, wobei eine Pflicht zur Bestätigung des Protokolls durch Unterschrift nicht besteht.

Auf der Wache : Bei einer Identitätsfeststellung bleibst du maximal 4 Stunden. Wenn es sich jedoch um eine "garde à vue" (Polizeigewahrsam) handelt, muss dir das in der ersten Stunde mitgeteilt werden. Eine Identitätsfeststellung kann sich in eine "garde à vue" umwandeln, dies muss dir aber auch direkt mitgeteilt werden.

Identitätsfeststellung : Mit einer Dauer von maximal 4h dient sie dazu, die Identität der festgenommenen Personen festzustellen. Mensch muss seine Identität angeben, jedoch gibt es keine Strafe, wenn mensch dies verweigert, oder seine Papiere nicht dabei hat. Es ist ein Vergehen eine real existierende Identität anzunehmen, aber eine frei erfundene Identität wird nur mit einer Geldstrafe bis zu 7500€ bestraft, wenn dies falsche Informationen im Strafregister verursacht. Es ist formell auch nicht verboten, sich bei ein oder zwei Buchstaben zu irren, wenn mensch seinen Namen diktieren muss. Es gibt kein zentrales Personenregister, welches es der Polizei ermöglicht zu überprüfen, ob eine Identität tatsächlich existiert, oder nur frei erfunden ist. Es gibt jedoch ein zentrales Register der Führerscheine (wenn mensch eine frei erfundene Identität angibt, sollte diese Identität keinen Führerschein besitzen).
Wenn bei einer Massenfestnahme mehrere Menschen gemeinsam die Aufnahme der Personalien verweigern, nicht ihre Papiere vorzeigen, oder ihre Identität nur mündlich mitteilen, erschwert dies die Arbeit der Datenerfassung der Polizei und die Verfolgung der illegalisierte Menschen. Im Gegensatz zu Deutschland wird in Frankreich diese Methode praktiziert. Jede*r sollte dabei für sich selbst entscheiden können.

Die "garde à vue" (GAV)
 : Sie kann 24h dauern und durch eine*n Staatsanwa*ältin ein Mal um 24h verlängert werden (außer in Fällen von Terrorismus oder Bandenkriminalität, wo es bis zu 96h dauern kann).
Wenn dir die GAV angezeigt wird, muss dir die Polizei sagen, dass du das Recht hast zu schweigen, dass du nicht auf ihre Fragen antworten musst und die Aussage verweigern kannst. Du hast das Recht einen Arzt zu sehen (auch wenn du keine Medikamente nehmen musst und auch wenn du bei der Festnahme nicht verletzt wurdest). Du kannst auch eine dir nahestehende Person (von der Polizei) anrufen lassen. (Achtung : das Legal Team wird von der Polizei nicht als nahestende Person akweptiert). Ein Anwalt, mit dem du dich 30 Min besprechen kannst, kann auf deinen Wunsch hin auch bei den Verhören der GAV anwesend sein. Wenn du keinen Anwalt kennst wird einer von der Polizei gestellt. Wenn du kein Französisch verstehst, kannst du direkt von Anfang an nach einem Dolmetscher verlangen.

Die Vernehmung als "Freie*r Verdächtige*r" (früher "Freie Vernehmung") : Dies ist ein Status zwischen Zeuge sein und in Polizeigewahrsam sitzen. Die Polizei vernimmt dich, ohne dich in Gewahrsam zu nehmen. Grundsätzlich hast du dabei jederzeit das Recht zu gehen, aber in der Praxis drohen sie oft denjenigen, die dieses Recht in Anspruch nehmen wollen mit Gewahrsam.

Strategien des Widerstands und der Nicht-Kooperation : Um die Arbeit der Polizei zu erschweren, geben einige gar nichts an und verweigern die Auskunft über ihre Identität. Andere verweigern alles außer das strikte Minimum (Name, Vorname, Geburtsdatum und -ort). Es ist dein Recht zu schweigen. Während der Vernehmung kannst du antworten : “Ich verweigere die Aussage” ("je n’ai rien à declarer"), im Unterschied zu "ich weiß nichts", wo mensch ja doch Informationen preis gibt. Du kannst dies damit rechtfertigen, dass dir die Polizei selbst gesagt hat, dass es dein gutes Recht ist zu schweigen. Du übst damit nur dein Recht aus - nicht mehr, nicht weniger.

Je öfter diese Widerstandshandlungen kollektiv angewendet werden, desto öfter führen sie auch zu dem gewünschten Ziel. Worin auch immer deine Strategie besteht, gibt niemals Informationen über andere Festgenommene oder die Aktion preis. Beschuldige niemals jemand anderen, auch wenn die Polizei dir sagt, dass sich deine GAV dadurch verkürzen würde oder dass es sonst Schwierigkeiten bei der Verteidigung am Tag des Prozess geben würde. Es ist vollkommen in Ordnung sich zu weigern die Dokumente zu unterschreiben, die dir von der Polizei vorgelegt werden (z.B. Zusammenfassung der Verhöre). Zu unterschreiben heißt anzuerkennen, dass alles gut verlaufen ist und verhindert somit diese Punkte im Nachhinein anzufechten.

Das Verweigern von Fotos, Fingerabdrücken oder DNA-Proben ist ein Vergehen, wobei auch das Verweigern als politische Aktion genutzt werden kann. Im Rahmen einer Identitätskontrolle kann das Verweigern von Fingerabdrücken oder des Abfotografierens mit drei Monaten Gefängnis und 3750 Euro bestraft werden. Im Falle einer GAV steht auf die gleichen Vergehen bis zu ein Jahr Gefängnis und eine Strafe von 15000 Euro.
Wenn eine Person eines bestimmten Delikts (z.B. Sachbeschädigung, Nötigung, Gewalt,...) verdächtigt wird, ist es ein Vergehen, eine DNA-Probe zu verweigern, die mit einem Jahr Gefängnis und 15000 Euro bestraft werden kann. Menschen, die eines solchen Delikts für schuldig befunden wurden, riskieren bei Verweigerung der DNA ein Jahr und 15000 Euro, wenn es sich um ein Vergehen handelt und zwei Jahre und 30000 Euro, wenn es sich um ein Verbrechen handelt. Erzwungen werden können Fingerabdrücke oder DNA-Proben nur bei schweren Verbrechen.
Wenn die DNA-Probe einmal genommen wurde, wird sie ins FNAEG-Register aufgenommen, worauf alle Behörden der Europäischen Union Zugriff haben.

IM FALLE EINES PROZESS

Nach einer GAV gibt es vier Möglichkeiten. Entweder du wirst (vorläufig) freigelassen, oder direkt zum Gericht überbracht, um zusätzlich der*m Staatsanwa*ältin oder Ermittlungsrichter*in vorgeführt zu werden ( “être déféré” ). Drittens ist es möglich, dass du eine Vorladung zu einer Gerichtsverhandlung erhältst und anschließend freigelassen wirst. Viertens kann dir eine alternative Streitbeilegung vorgeschlagen werden ( “une médiation” , “une composition pénale” oder “une comparution sur reconnaissance préalable de culpabilité”). Im Falle einer Vorführung kannst du bis zu weiteren 20 Stunden in den Haftzellen des Gerichtsgebäudes ("dépot") verbringen, bevor du einer*m Staatsanwa*ältin vorgeführt wirst. Das ist kein*e Polizist*in, sondern ein*e Beamt*in, mit der Aufgabe zu entscheiden, ob Anklage erhoben wird. Nach der Befragung kann er*sie dich frei lassen, wenn er*sie befindet, dass nichts gegen dich vorliegt, oder du musst dich einer weiteren Vorladung für einen späteren Prozess unterziehen. Oder es wird ein Schnellverfahren gegen dich durchgeführt ("comparution imméediate"). Schnellverfahren kommen in Frankreich sehr viel häufiger vor als in Deutschland. In schweren oder komplizierten Fällen, wirst du vielleicht keiner*m Staatsanwa*ältin vorgeführt, sondern dem Ermittlungsrichter*in, der dich direkt anklagen kann ("mettre en examen"). Dann wird ein Haftrichter ("juge des libertes et de la detention" - JLD) darüber entscheiden, ob du in Untersuchungshaft kommst. Falls nicht kannst du mit oder ohne Auflagen freigelassen werden. Auflagen ( “contrôle judiciaire” = “richterliche Aufsichte” ) können zum Beispiel sein : ein örtlich und zeitlich begrenztes Aufenthaltsverbot oder die Verpflichtung dich regelmäßig auf der Polizeiwache in deiner Stadt zu melden (Meldeauflage).

Im Fall eine*s Schnellverfahrens stehst du entweder noch am gleichen Tag, oder am Tag nach der Vernehmung durch dem*der Staatsanwa*ältin vor Gericht. Du wirst auf jeden Fall von einem Anwalt vertreten : Falls du keinen hast von einer*m Pflichtverteidiger*in, benannt und bezahlt vom Staat. In diesem Moment kannst du zustimmen, entweder direkt gegen dich verhandelt wird, oder den Prozess aufzuschieben, um dich besser auf die Verteidigung vorbereiten zu können. Dieser Aufschub kann dir nicht verweigert werden, aber das Gericht kann entscheiden, dich vorübergehend ins Gefängnis zu stecken bis der Prozess losgeht (das kannst mehrere Wochen dauern). Der*die Anwa*ältin wird dem Gericht Sicherheiten ("garanties de représentation") vorlegen, was so viel bedeutet, dass sie eine Absicherung haben, dass du in dieser Zeit wohl nicht abhauen wirst (z.B. Arbeits- oder Mietvertrag). Es ist klar, dass die Menschen ohne Arbeit oder festen Wohnsitz öfter ins Gefängnis gesteckt werden (bei Ausländer*innen ist diese Gefahr auch hoher). Auf jeden Fall sollten all diese Dokumente, auch schlichtweg ein Mietnachweis oder Arbeitsvertrag (im besten Fall vorher vorbereiten) bereit sein und müssen dann unbedingt von dir nahestehenden Personen zum*r Anwa*ältin gebracht werden. Wenn du nicht in Untersuchungshaft kommst, ist es gut möglich, dass du in der Zeit bis zum Prozess unter richterlicher Aufsicht stehst. Das Erscheinen von Gericht kann später erfolgen. Der*die Staatsnwa*ältin gibt dem*der Beschuldigten ein Protokoll, das als Gerichtsvorladung zählt. Bis zum Prozess kann richterliche Aufsicht ( s.o. ) oder Hausarrest angeordnet werden.

  • Wenn du Zeug*in einer Festnahme oder von Polizeigewalt bist
  • Wenn du während einer Aktion Polizei(kontrollen) siehst
  • Wenn du Neuigkeiten über deine festgenommenen Genoss*innen willst
  • Wenn du Zeuge*in von Geschehnissen wurdest, die dir oder anderen widerfahren sind
  • Wenn du freigelassen wurdest

Nimm unter dieser Nummer Kontakt mit dem Legal Team auf : +33 (0)7.53.39.35.45 cosomi [at] riseup.net

Bitte gib zu Beginn des Anrufs an, wenn du lieber in einer anderen Sprache als Französisch sprechen möchtest. Bitte keine Namen oder Details angeben, die festgenommene Menschen gefährden könnten. Wenn du festgenommen bist, weigert sich die Polizei diese Nummer für dich anzurufen. Du kannst jedoch eine dir nahestehende Personen vorher informieren, die dann diese Nummer für dich anruft. Schreib dir diese Nummer nicht auf den Arm. Damit kann die Polizei dich leichter der Demo zuordnen und im Gewahrsam wird sie dir nichts nützen.