Rechtshilfe zur COP21

Rechtshilfe für demos und aktionen

Dieses Dokument beinhaltet als Orientierung die maximal anwendbaren Strafmaße, welche quasi nie auf Personen ohne Vorstrafen angewandt werden. Die Strafen richten sich grundsätzlich nach dem Einkommen.

Bei Demos und gemeinsamen Aktionen

Denkt an Kontaktdaten eines Anwalts oder einer Anwältin. Das Legal Team kann dir diese Kontake geben, welche du auf der Polizeiwache im Gewahrsam nennen kannst. Wenn du Medikamente nimmst, denk dran diese mitzunehmen, oder das entsprechende Rezept (Achtung : Originaldokument).

Denkt an die Konsequenzen der mitgeführten Gegenstände : Illegale Drogen, Gegenstände die als Waffen eingestuft werden können (z.B. Messer), zweckgerichtete Waffe (Glasflaschen, Steine,...), Adressbuch oder Telefon mit Kontaktdaten (die dazu genutzt werden können, die Arbeit der Polizei zu erleichtern).

Bei Übergriffen : Lasst niemanden alleine. Versucht in eurer Bezugsgruppe zu bleiben, damit mensch den Namen der festgenommenen Person kennt und Unterstützung organisieren kann. Anschließend kann mensch vorsorglich die anderen Demonstrant*innen auf die Zivilbullen hinweisen.

Fotos und Videos : Die Polizei filmt und fotografiert quasi ständig während Demos, um "Beweise" gegen die Menschen zu sammeln, die bei der Aktion teilnehmen. Immer mehr neigen auch Demonstrant*innen und Journalist*innen dazu, und unterstützen so, bewusst oder nicht, die Arbeit der Überwachung und Datenerfassung durch die Polizei, (insbesondere wenn sie Fotos und Videos ins Internet zu stellen). Mensch kann versuchen dem zu entkommen, indem mensch sein Gesicht vermummt.

Vermummung des Gesichts : Im Prinzip ist es verboten sein Gesicht bei einer Demo vorsätzlich zu vermummen, in einer Art die "dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören" und wird mit 1500 € bestraft. In der Praxis kommt es jedoch selten bis nie vor, dass jemand nur aus diesem Grund festgenommen wird. Jedoch kann die Vermummung des Gesichts als erschwerender Umstand zusammen mit anderen Taten gewertet werden (siehe nächster Punkt).

Nicht angemeldete Versammlungen : Die Polizei kann nicht angemeldete Demonstrationen oder Versammlungen auf öffentlichem Grund auflösen. Dies geschieht entweder nach zwei Aufforderungen (die "Mahnungen"/"sommations") per Lautsprecher, oder, wenn "Gewalt" vorausgegangen ist, kann auch ohne Ankündigung geräumt werden.
Nachdem die "Mahnungen" ausgesprochen wurden (oder wenn die Polizei behauptet, dass dies der Fall ist), ist es verboten sich nicht von der Versammlung zu entfernen und dies wird bis mit zu einem Jahr Gefängnis und 15000 € bestraft. In der Praxis ist es jedoch sehr schwer, dutzende von Personen wegen dieses Delikts festzunehmen und zu bestrafen.
Wenn die Person eine Wurfwaffe bei sich trägt (bzw. einen Gegenstand, der dazu geeignet ist, auf die Polizei geworfen zu werden), oder wenn sie vermummt ist und die Versammlung nach den Mahnungen der Polizei nicht verlassen hat, erhöhen sich die Strafen zu 3 Jahren Gefängnis und 45000 Euro. Ist die Person bewaffnet und vermummt, kann die Strafe bis zu 5 Jahre Gefängnis und 75000 Euro betragen.

Im Falle einer Kontrolle oder vorübergehenden Festnahme

Im Falle einer Identitätskontrolle : Die Polizei kann alle Menschen kontrollieren, die verdächtigt werden bei einem Vergehen dabei zu sein, sich auf eins vorzubereiten, oder die Information über ein Vergehen liefern können. Die Polizei führt auch Kontrollen in bestimmten Bereichen (Häfen, Bahnhöfe, Flughäfen) im Schengenraum durch. Die Staatsanwaltschaft kann der Polizei auch die schriftliche Anweisung geben, verstärkte Personenkontrollen in einem bestimmten Bereich für eine bestimmte Zeit durchzuführen "Razzien". Außerdem darf die Polizei Menschen kontrollieren, um einer "Störung der Öffentlichen Ordnung vorzubeugen, insbesondere um die Sicherheit von Personen und Gütern" zu gewährleisten.
Es besteht keine Pflicht einen Ausweis bei sich zu haben, aber du musst deine Identität angeben (Vorname, Name). Einige verweigern es, ihre Identität anzugeben. Die Polizei kann dich mit aufs Revier nehmen um deine Identität zu überprüfen.
Tu es libre d’avoir ou pas tes papiers d’identité sur toi mais tu es tenu-e de décliner une identité (nom, prénom). Certain-e-s refusent de donner leur identité. Dans ce cas, les flics peuvent t’emmener au poste pour une « vérification d’identité ».

Taschenkontrolle : Das Durchsuchen deiner persönlichen Gegenstände (Rucksack, Geldbeutel, Taschen,...) ähnelt einer Hausdurchsuchung. Ein*e Polizist*in oder Gendarme kann dich durchsuchen, wenn der Verdacht besteht, dass du eine Straftat begangen hast. Ein*e Zollbeamte*e kann die Durchsuchung anordnen, um einem Delikt nachzugehen. Ein*e Wachmann*frau darf jedoch nur eine Sichtprüfung deiner Taschen durchführen und das auch nur mit deiner Zustimmung. Bei einer einfachen Personenkontrolle ist nur das Abtasten gestattet. Dieses besteht aus dem Abtasten der Person um festzustellen, ob sie gefährliche Gegenstände bei sich trägt, aber grundsätzlich muss man dabei weder seine Taschen leeren noch seinen Rucksack öffnen.

Auf der Wache : fois au poste : Bei einer Identitätsfeststellung bleibst du maximal 4 Stunden. Wenn es sich jedoch um eine "garde à vue" (Polizeigewahrsam) handelt, muss dir das in der ersten Stunde mitgeteilt werden. Eine Identitätsfeststellung kann sich in eine "garde à vue" umwandeln, dies muss dir aber auch direkt mitgeteilt werden.

Identitätsfeststellung : Mit einer Dauer von maximal 4h dient sie dazu, die Identität der festgenommenen Personen festzustellen. Mensch muss seine Identität angeben, jedoch gibt es keine Strafe, wenn mensch dies verweigert, oder seine Papiere nicht dabei hat. Es ist ein Vergehen eine real existierende Identität anzunehmen, das mit einer Geldstrafe bis zu 7500€ bestraft wird, wenn dies falsche Informationen im Strafregister verursacht. Es ist formell auch nicht verboten, sich bei ein oder zwei Buchstaben zu irren, wenn mensch seinen Namen diktieren muss. Es gibt kein zentrales Personenregister, welches es der Polizei ermöglicht zu überprüfen, ob eine Identität tatsächlich existiert, oder nur frei erfunden ist. Es gibt jedoch ein zentrales Register der Führerscheine (wenn mensch eine frei erfundene Identität angibt, sollte diese Identität keinen Führerschein besitzen).
Wenn bei einer Massenfestnahme mehrere Menschen gemeinsam die Aufnahme der Personalien verweigern, nicht ihre Papiere vorzeigen, oder ihre Identität nur mündlich mitteilen, erschwert dies die Arbeit der Datenerfassung der Polizei und die Verfolgung der Sans-Papiers.

Die "garde à vue" (GAV) : Sie kann 24h dauern und ein Mal um 24h verlängert werden (außer in Fällen von Terrorismus oder Bandenkriminalität, wo es bis zu 96h dauern kann).
Wenn dir die GAV angezeigt wird, muss dir die Polizei sagen, dass du das Recht hast zu schweigen, dass du nicht auf ihre Fragen antworten musst und die Aussage verweigern kannst. Du hast das Recht einen Arzt zu sehen (auch wenn du keine Medikamente nehmen musst und auch wenn du bei der Festnahme nicht verletzt wurdest). Du kannst auch eine dir nahestehende Person (von der Polizei) anrufen lassen. Ein Anwalt, mit dem du dich 30 Min besprechen kannst, kann auf deinen Wunsch hin auch bei den Verhören der GAV anwesend sein. Wenn du keinen Anwalt kennst wird einer von der Polizei gestellt. Wenn du kein Französisch verstehst, kannst du direkt von Anfang an nach einem Dolmetscher verlangen.

Die Vernehmung als "Freie*r Verdächtige*r" (früher "Freie Vernehmung") : Dies ist ein Status zwischen Zeuge sein und in Im Falle einer Identitätskontrolle : Die Polizei kann alle Menschen kontrollieren, die verdächtigt werden bei einem Vergehen dabei zu sein, sich auf eins vorzubereiten, oder die Information über ein Vergehen liefern können. Die Polizei führt auch Kontrollen in bestimmten Bereichen (Häfen, Bahnhöfe, Flughäfen) im Schengenraum durch. Die Staatsanwaltschaft kann der Polizei auch die schriftliche Anweisung geben, verstärkte Personenkontrollen in einem bestimmten Bereich für eine bestimmte Zeit durchzuführen "Razzien". Außerdem darf die Polizei Menschen kontrollieren, um einer "Störung der Öffentlichen Ordnung vorzubeugen, insbesondere um die Sicherheit von Personen und Gütern" zu gewährleisten.
Es besteht keine Pflicht einen Ausweis bei sich zu haben, aber du musst deine Identität angeben (Vorname, Name). Einige verweigern es, ihre Identität anzugeben. Die Polizei kann dich mit aufs Revier nehmen um deine Identität zu überprüfen.

Strategien des Widerstands und der Nicht-Kooperation : m die Arbeit der Polizei zu erschweren, geben einige gar nichts an und verweigern die Auskunft über ihre Identität. Andere verweigern alles außer das strikte Minimum (Name, Vorname, Geburtsdatum und -ort). Es ist dein Recht zu schweigen. Während der Vernehmung kannst du antworten, dass du nichts anzugeben hast ("je n’ai rien à declarer"), im Unterschied zu "ich weiß nichts", wo mensch ja doch Informationen preis gibt. Du kannst dies damit rechtfertigen, dass dir die Polizei selbst gesagt hat, dass es dein gutes Recht ist zu schweigen. Du übst damit nur dein Recht aus - nicht mehr, nicht weniger.

Je öfter diese Widerstandshandlungen kollektiv angewendet werden, desto öfter führen sie auch zu dem gewünschten Ziel. Worin auch immer deine Strategie besteht, gibt niemals Informationen über andere Festgenommene oder die Aktion preis. Beschuldige niemals jemand anderen, auch wenn die Polizei dir sagt, dass sich deine GAV dadurch verkürzen würde oder dass es sonst Schwierigkeiten bei der Verteidigung am Tag des Prozess geben würde. Es ist vollkommen in Ordnung sich zu weigern die Dokumente zu unterschreiben, die dir von der Polizei vorgelegt werden (z.B. Zusammenfassung der Verhöre). Zu unterschreiben heißt anzuerkennen, dass alles gut verlaufen ist und verhindert somit diese Punkte im Nachhinein anzufechten.

Das Verweigern von Fotos, Fingerabdrücken oder DNA-Proben stein Vergehen, wobei auch das Verweigern als politische Aktion genutzt werden kann.
Im Rahmen einer Identitätskontrolle kann das Verweigern von Fingerabdrücken oder des Abfotografierens mit drei Monaten Gefängnis und 3750 Euro bestraft werden. Im Falle einer GAV steht auf die gleichen Vergehen bis zu ein Jahr Gefängnis und eine Strafe von 15000 Euro.
Wenn eine Person eines Delikts (Sachbeschädigung, Nötigung, Gewalt) verdächtigt wird, ist es ein Vergehen, eine DNA-Probe zu verweigern, die mit einem Jahr Gefängnis und 15000 Euro bestraft werden kann. Menschen, die eines solchen Delikts für schuldig befunden wurden, riskieren bei Verweigerung der DNA ein Jahr und 15000 Euro, wenn es sich um ein Vergehen handelt und zwei Jahre und 30000 Euro, wenn es sich um ein Verbrechen handelt.
Wenn die DNA-Probe einmal genommen wurde, wird sie ins FNAEG-Register aufgenommen, worauf alle Behörden der Europäischen Union Zugriff haben.

Im Fall eines Prozess

Nach einer GAV kannst du entweder direkt frei gelassen werden, oder dir wird eine "Mediation" vorgeschlagen, welche aus einer Bestrafung (wie das Akzeptieren eines Strafbefehls in Deutschland) oder einem Strafbefehl mit Schuldeingeständnis (das Schuldeingeständnis kann dazu führen, dass über die Höhe der Strafe verhandelt werden kann) bestehen kann. Oder dass du später eine gerichtliche Vorladung erhältst, oder direkt zum Gericht gebracht wirst, wo du einem Staatsanwalt oder Haftrichter vorgeführt wirst. Dieser letzte Fall bedeutet, dass ihr "vorgeführt" werdet ("etre déféré").

Im Falle einer Vorführung kannst du bis zu weiteren 24h in den Haftzellen des Gerichtsgebäudes ("dépot") verbringen, bevor du einer*m Staatsanwa*ältin vorgeführt wirst. Das ist kein*e Polizist*in, sondern ein*e Beamt*in, mit der Aufgabe zu entscheiden, ob Anklage erhoben wird. Nach der Befragung kann er*sie dich frei lassen, wenn er*sie befindet, dass nichts gegen dich vorliegt, oder du musst dich einer weiteren Vorladung für einen späteren Prozess unterziehen. Oder es wird ein Schnellverfahren gegen dich durchgeführt ("comparution imméediate"). Schnellverfahren kommen in Frankreich sehr viel häufiger vor als in Deutschland.

In schweren oder komplizierten Fällen, wirst du vielleicht keiner*m Staatsanwa*ältin vorgeführt, sondern dem Ermittlungsrichter*in, der dich direkt anklagen kann ("mettre en examen"). Dann wird ein Haftrichter ("juge des libertes et de la detention" - JDL) darüber entscheiden, ob du in Untersuchungshaft kommst. Du kannst auch direkt frei kommen, aber entweder mit einem Aufenthaltsverbot für ein bestimmtes Gebiet und eine bestimmte Zeit, oder mit der Auflage, dich regelmäßig auf der Polizeiwache in deiner Stadt zu melden.

Im Fall eine*s Schnellverfahrens stehst du entweder noch am gleichen Tag, oder am Tag nach der Vernehmung durch dem*der Staatsanwa*ältin vor Gericht. Du wirst auf jeden Fall von einem Anwalt vertreten, eventuell von einer*m Pflichtverteidiger*in, benannt und bezahlt vom Staat.
In diesem Moment kannst du zustimmen, entweder direkt gegen dich verhandelt wird, oder den Prozess aufzuschieben, um dich besser auf die Verteidigung vorbereiten zu können. Dieser Aufschub kann dir nicht verweigert werden, aber das Gericht kann entscheiden, dich vorübergehend ins Gefängnis zu stecken bis der Prozess losgeht (das kann bis zu 2-3 Wochen dauern). Der*die Anwa*ältin wird dem Gericht eine Versicherung ("garanties de représentation") vorlegen, was so viel bedeutet, dass sie eine Absicherung haben, dass du in dieser Zeit wohl nicht abhauen wirst (z.B. Arbeits- oder Mietvertrag). Es ist klar, dass die Menschen ohne Arbeit oder festen Wohnsitz öfter ins Gefängnis gesteckt werden (bei Ausländer*innen ist diese Gefahr auch hoher). Auf jeden Fall sollten all diese Dokumente, auch schlichtweg ein Mietnachweis oder Arbeitsvertrag (im besten Fall vorher vorbereiten) bereit sein und müssen dann unbedingt von dir nahestehenden Personen zum*r Anwa*ältin gebracht werden. Wenn du nicht in Untersuchungshaft kommst, ist es gut möglich, dass du in der Zeit bis zum Prozess unter richterlicher Aufsicht stehst.

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